Strahlnen ohne Spitzeisen und Fäustel

Am Samstag 18.August 2012 war es endlich soweit. Der erste richtige Strahlnertag der Saison 2012 konnte beginnen. Bruno und mich zog es wieder einmal an den Galenstock. Bei wunderschönem Wetter liefen wir früh morgens beim Belvedere ab, und freuten uns riesig endlich mal wieder unserem liebsten Hobby zu frönen. Die aufgehende Sonne schenkte uns eine wunderbare Morgenkulisse. Sogar der Gletscherwind war an diesem Tag gnädig und hatte eine angenehme Temperatur.

Ziel war der sogenannte „Felsentisch“ ca. 200 Höhenmeter unter dem Gipfel des Galenstockes. Kurt hatte dort vor einem Jahr eine prächtige Morionstufe gefunden. Da er an diesem Tag ohne Fäustel und Spitzeisen unterwegs war, schickte er uns nochmals dort hin um zu schauen ob man die Kluft nicht weiterbearbeiten kann.

Bis auf 3 Bergwanderer, die eindeutig nicht als Strahler identifiziert werden konnten, waren wir an diesem Tag alleine auf dem Rhonegletscher.

Wir kamen gut voran bis ich plötzlich meinen Augen kaum traute.

Voller entsetzen musste ich feststellen, dass meine Steigeisen in zwei Teile gebrochen sind. „Sollte dies das Ende des Strahlertages sein?“

Strahlnenohnespitzeisen3Mit ein wenig Geschick und einem mitgenommenen Strickli konnte das Problem behoben werden und der Aufstieg weiter gehen.

Nach ca. 3.5 Stunden erreichten wir die strahligen Felsen des Galenstockes.

Strahlnenohnespitzeisen2Mit einem Balanceakt über den Gletscherschrund und die ersten 20 Höhenmeter mittelschwerer Felskletterei trennten uns unsere Wege. Jeder Satz wurde durchforstet, jedem noch so kleinen Anzeichen die volle Aufmerksamkeit geschenkt, ob uns da nicht Mutter Natur ein paar Bergkristalle schenken will.

Der zurückgewichene Gletscher hat die Gegend stark in Mitleidenschaft gezogen, so dass viel Gletschersand auf den Sätzen lag. So arbeiteten wir uns stetig nach oben, immer auf der Suche nach den beegehrten Kristallen. Ab und zu riskierten wir einen Blick zum Felsentisch, der wohl immer noch ca. 300 Höhenmeter über uns lag.

„Ach Kurt musst du die Strahlen immer so hoch finden?“. Nach einer Weile kam ich an einer sehr verdächtigen Stelle vorbei, sofort stieg mein Ehrgeiz und mit dem Pickel wurde kräftig der Schutt weggegrübelt. Nach 10 Minuten ohne Erfolg wollte ich schon weiter gehen. Bruno arbeitete derweilen ca. 20 Meter unter mir und rief „ich solle noch nicht zu weit gehen“, da ich der Fäustel und Spitzeisen bei mir trug.

Strahlnenohnespitzeisen4Also drehte ich wieder um und begutachtete die Stelle erneut. Die Stelle erinnerte mich an 2 Klüfte, die wir letztes Jahr im gleichen Gebiet fanden. Auch dort hat Mutter Natur ganze Arbeit geleistet, so dass sich die Kluft tektonisch aufgestellt hat, und der begehrte Kluftinhalt ausgelehrt wurde. So versuchte ich mein Glück ca. 4 Meter unter dem ersten Loch. Ich arbeitete mich stetig nach oben, immer in der Hoffnung die begehrten Kristalle zu finden. Plötzlich galt meine ganze Aufmerksamkeit einem leicht rauchigen schwarzen Spitz, den ich wenig später das erste Mal in die Sonne halten konnte.

Jetzt hiess es vorsichtig sein und der Pickel wurde ausgetauscht mit einem kleinen Hägli.

Mit diesem etwas filigranerem Werkzeug konnte ich noch die letzten Schuttreste besetitigen.

Da lagen sie nun vor mir. Ohne ein Spitzeisen und ein Fäustel zu benützen konnte ich die zerstürtze KluftStrahlnenohnespitzeisen6 ausbeuten. Bruno gesellte sich dann auch zu mir und es war wie letztes Jahr bei den beiden Klüften.

Im Stile einer Karottenernte konnten wir Spitz um Spitz aus der ausgeleerten Kluft pflücken. Ab und zu staunten wir nicht schlecht als sich noch ein paar schöne Grüppchen zu unserem Steinlager gesellten.

Mit zwischenzeitlichen Jauchzern begrüssten wir einzelne Spitzen und Grüppli.

Es waren wirklich herrliche Stunden, die wir am Berg verbringen konnten. All die Strapazen des langen Aufstieges waren wie vergessen.

Strahlnenohnespitzeisen5Mittlerweile war es bereits Nachmittag als wir bereits eine „Träge“ zusammen hatten. Wir liessen die Steine bei der Kluft, denn unser Tagesziel lag ja beim besagten Felsentisch.

Also nahmen wir noch die letzten 200 Höhenmeter auf uns und besuchten die alte Stelle von Kurt. Leider ergab die Kluft nichts mehr her und wir konnten Kurt berichten, dass er auch ohne Spitzeisen und Fäustel alles aus der Kluft genommen hatte.

Nach einer längeren Pause und dem obligaten Schnupf, kehrten wir wieder zu den deponierten Steinen zurück, verpackten sie sorgfältig im Rucksack und machten uns auf den Heimweg.

Mit dem vollen Rucksack am Rücken, machte ich mir Gedanken über die Klüfte in diesem Gebiet.

Ist es der richtige Riecher, oder einfach nur Glück an einer Stelle zu arbeiten bei der man das Spitzeisen und Fäustel nicht braucht? Wenn einem die Steine praktisch in den Rucksack fallen.

Und wenn Bruno nicht gerufen hätte ich solle warten, wäre ich wohl nie auf den Kluftinhalt gestossen. Wie gesagt sind das wohl die schönsten Momente im Leben eines Strahlners und jeder der dieses Glück schon mal hatte, wird mich in seinen Gedanken bestätigen.

Nach ca. 3 Stunden Abstieg und dem kräfteraubenden Aufstieg von der Gletschergrotte bis zum Laden des Belvederes, gönnten wir uns noch ein Bier und liessen einen wunderschönen Tag hinter uns.

Die Vorfreude auf die nächsten 3 Ferienwochen, und das angesagte Hochdruckwetter lassen unsere Stimmung weiter steigen.

Die nächsten 3 Wochen werden wir wohl am Tiefengletscher anzutreffen sein.

JEDER WOHL MIT FÄUSTEL UND SPITZEISEN IN SEINEM RUCKSACK